Eine Frau steht im Schatten von Palmen. -fit

Fit für den Sommer?


 

Keine Angst vor der neuen Normalität

Die meisten von uns haben im vergangenen Jahr vor allem eines gesehen: Die eigenen vier Wände. Das hat für viele zwar einen entschleunigten Alltag mit sich gebracht, allerdings haben wir uns abgewöhnt mit Menschen zu interagieren, uns ausreichend zu bewegen und mit Reizen konfrontiert zu sein.

Für viele ist der Übergang nach einer langen Zeit der Restriktionen, Angst und Unsicherheit gar nicht so einfach und verursacht Panik. Das Gute ist: Du bist damit nicht allein. Viele Menschen fühlen sich erschöpft, unsicher und angespannt. Die Transformation von einem Leben, das sich hauptsächlich im isolierten Zuhause abspielt in ein Leben inmitten der Gesellschaft, stellt für viele von uns eine große Herausforderung dar.

Diesen Monat möchten wir dich deshalb sowohl mental, körperlich als auch ernährungstechnisch dabei unterstützen, deinen ganz eigenen Weg in diesem Prozess zu finden und das Tempo zu bestimmen, wie du diese neue Phase einleitest. Hierfür versorgen wir dich in den nächsten drei Artikeln mit Tipps in den Bereichen Achtsamkeit, Fitness und bewusste Ernährung. So wird es dir schon bald gelingen, dein Nervensystem wieder auf “Entspannungsmodus” herunterzufahren und dich ins Leben fallen zu lassen.

Ein Mann sitzt nicht fit vor dem Laptop.

“Jetzt entspann’ dich doch einmal” hilft keinem weiter

Wir leben nun bereits mehr als ein Jahr in einem weltweiten Ausnahmezustand. Fast jeder einzelne von uns muss sich mit irgendeiner Form von Angst auseinandersetzen.

Für die Introvertierten unter uns ist es die Angst vor Menschenansammlungen, aggressiven Auseinandersetzungen in den sozialen Netzwerken, sozialem Druck, Ansteckung, plötzlich aus seiner Bubble rausgeworfen zu werden oder den eigenen “Safe Space” zu verlieren.

Die Extrovertierten unter uns leiden nicht selten unter FOMO (Fear Of Missing Out) und wollen nun erst recht alles mitnehmen, was angeboten wird. Schließlich weiß man nie, wann die Situation wieder umschwenkt.

Ganz gleich, wie du dich gerade fühlst: Sätze wie “Ach, entspann’ dich!” oder “Komm doch mal aus dir heraus” werden definitiv nicht weiterhelfen. Schließlich sprechen wir hier über individuelles Empfinden, das tiefe Ursachen hat und keinen kognitiven Schalter, den man nach Bedarf betätigen kann.

Ein Strom von Fußgängern auf dem Bürgersteig. -fit

Nach einem Jahr in Angst sind viele von uns am Limit

Die Donau-Universität Krems hat seit Beginn der Pandemie die psychische Gesundheit wiederholt untersucht. Eine erste Studie im April 2020 zeigte einen Anstieg von psychischen Leidensbildern wie Depressionen, Ängsten oder Schlafproblemen – und das sogar aufs drei- bis fünffache im Vergleich zu vor der Pandemie. Weitere Untersuchungen im Juni 2020 bewiesen, dass die Belastung gleichbleibend hoch ist. Auf die Frage, warum das so ist, kann ein Blick auf unser Nervensystem helfen.

Der Vagusnerv: So bringt er Körper und Psyche ins Gleichgewicht

Dr. Stephen Porges ist renommierter Universitätswissenschaftler und Begründer der “Polyvagaltheorie”. Dieser nach besteht unser autonomes Nervensystem, das unser Überleben sichert, aus drei Bestandteilen:

  • dem vorderen Vagus-Nerv
  • dem Sympathikus und
  • dem hinteren Vagus-Nerv

Der vordere Vagusnerv ist gefragt, wenn es um Aufgaben der Selbstheilung, Erholung, Verdauung, Kontakt oder Kommunikation geht. Dieser ist bei einem gesunden Menschen im Normalfall aktiv. Wir bitten bei Problemen beispielsweise um Hilfe und finden so Lösungsansätze.

Kann das Problem auf diese Art allerdings nicht gelöst werden, wird der Sympathikus aktiviert. Das ist ein Instinkt, der seit Urzeiten in uns angelegt ist und uns schützt, wenn wir in Gefahr sind. Hier wird das Stresshormon Adrenalin ausgeschüttet, der Herzschlag wird schneller, wir atmen flacher und die Hände werden schwitzig. Kämpfen oder wegrennen (“Fight” oder “Flight”) ist nun die Frage.

Wenn auch das nicht mehr ausreicht, dann kommt der hintere Vagusnerv zum Einsatz: Wir Erstarren (“Freeze”). Der Körper gibt auf, die Kraft lässt nach und wir schalten uns emotional einfach aus, manchmal sind wir sogar gar nicht mehr anwesend. Das ist quasi der “Notknopf” und kommt so auch beispielsweise bei Reptilien vor, die in eine “Totenstarre” verfallen.

Wahrgenommene Sicherheit ist also laut der Polyvagaltheorie von Dr. Porges die wichtigste Voraussetzung für unser Wohlergehen und das unseres Nervensystems.

In einem Interview für den Podcast von “Psychologists Off The Clock” erklärt Dr. Porges, dass der Vagusnerv uns auch dabei hilft, mit Menschen durch unseren Gesichtsausdruck oder den Klang unserer Stimme in Kontakt zu treten. Ein Lächeln und eine entspannte Stimme stimmt uns positiv und lässt uns sicher fühlen.

Seit mehr als einem Jahr erleben wir allerdings fast ausschließlich Stimmen in den Nachrichten, die einen ernsten Unterton haben und sehen Menschen mit besorgten oder verängstigten Gesichtsausdrücken. Das richtet natürlich – wenn auch unbewusst – ganz schön etwas mit unserem Nervensystem an.

Wenn dieser Zustand länger anhält, kann es passieren, dass wir in schon bald den kleinsten Dingen eine Gefahr vermuten und uns Herausforderungen, die vorher nichts mit uns gemacht hätten, an den Rand der Vernunft bringen. Der Geduldsfaden wird kürzer, wir können immer weniger gut unsere Emotionen regulieren und sind konstant im “Fight-”, “Flight-” oder “Freeze-Modus” ohne Entspannung zu finden.

Du siehst: Eine weltweit angespannte Lage geht an keinem Menschen spurlos vorbei. Unser aller Nervensystem ist in dieser Zeit aus dem Gleichgewicht geraten und bedarf liebevoller Zuwendung, damit es sich wieder einpendeln kann.

Ein Frau liegt mit verschlossenen Augen auf der Wiese, um ihr Nervensystem fit zu halten.

Tipps, um das Nervensystem wieder zu beruhigen und in Balance zu bringen

In ihrem Buch “How To Do The Work” greift Psychologin und Influencerin Dr. Nicole La Perra die Polyvagal-Theorie von Dr. Porges auf und gibt Hinweise, wie wir unser Nervensystem unterstützen können.

Tipp 1: Regulierung durch Atmen

Während wir unserem Herzen in Stresssituationen schlecht sagen können, dass es bitte doch langsamer schlagen soll und sich unser Puls beruhigen soll, können wir mit unserem Atem direkt Einfluss darauf nehmen.

Stell dir den Atem vor wie eine Plank-Übung für deinen Vagusnerv. Durch tiefe Atemzüge kommunizieren wir unserem Gehirn: “Hey, hier gibt es gerade keine wirkliche Gefahr, du kannst dich entspannen.” Das wiederum sendet die entsprechenden Signale in unsere restlichen Organe, durch die der Vagusnerv verläuft und sie beginnen, zu entspannen.

“Atmen” ist allerdings leichter gesagt als getan. Denn, wenn wir uns gestresst fühlen, verlieren wir meistens das Bewusstsein für unseren Körper und die Prozesse laufen automatisch und unbewusst ab.

Du kannst mit dieser täglichen einminütigen Übung beginnen und schauen, was es nach einer Weile mit deinem Nervensystem macht (am besten morgens oder abends im Bett liegend):

  • Nehme einen langen und tiefen Atemzug durch die Nase und fülle erst deinen unteren Bauch und dann deine Brust.
  • Wenn du nicht mehr einatmen kannst, halte deinen Atem für drei Sekunden an.
  • Atme durch den Mund langsam und gleichmäßig wieder aus.
  • Atme nun wieder ein Mal normal ein und aus.
  • Wiederhole diesen Zyklus 10 Mal jeden Morgen für 14 Tage oder mehr.

Tipp 2: Regulierung durch Bewegung

Jegliche Arten von Bewegung sind großartig fürs Nervensystem. Es gibt zahlreiche Studien, die bestätigen, dass sich körperliche Betätigung positiv auf unsere Gesundheit auswirkt.

Vor allem Yoga hat erwiesenermaßen einen großartigen Einfluss auf unseren Vagusnerv. Dr. Porges hat in seinen wissenschaftlichen Untersuchungen herausgefunden, dass viele Yogastile die körpereigenen Stressantworten von “Fight”, “Flight” oder “Freeze” aktivieren. So lassen uns beispielsweise herausfordernde Posen beim Yoga an unsere Grenzen stoßen.

Hier passiert es, dass wir mithilfe dieses tollen Nervs lernen, unseren Stress zu regulieren, um zu einem Raum der Entspannung zurückzufinden, in dem Heilung stattfinden kann.

In unserer Humanoo-App findest du bis dahin unterschiedliche Yoga-Arten für eine Auszeit in deinem Zuhause.

Tipp 3: Regulierung durch Spiel

Du erinnerst dich bestimmt noch daran, wie wir als Kinder unbeholfen durch das Haus oder den Garten getobt sind. Nichts und niemand konnte uns aufhalten und es wurde lauthals gelacht.

Leider ist das für viele von uns im Erwachsenenalter nur noch eine Erinnerung. Warum denn eigentlich? Schließlich lernen wir hier spielerisch mit den unterschiedlichen Zuständen unseres Nervensystems umzugehen.

Singen oder Summen ist beispielsweise eine weitere Art, wie du dein Nervensystem natürlich regulieren kannst. Denk nur einmal daran, wie unbeschwert wir als Kinder herum gesungen haben – manchmal total unpassend im Wartezimmer beim Arzt oder im Klassenraum. Damals haben wir nicht einmal darüber nachgedacht, sondern sind einfach intuitiv den Impulsen unseres Körpers und Geistes gefolgt, um uns zu entspannen.

Als Erwachsene haben wir genau das verlernt: Intuitiv das zu tun, was uns gut tut. Allerdings kann du es wiedererlernen: Ob beim Versteckspiel mit deinen Kids oder erwachsenen Freunden oder Freundinnen, beim Videogamen auf der Couch, beim “Mensch Ärgere Dich Nicht” oder beim Fangenspielen im Wald. Es ist nie zu spät, sich auf ein kindliches Spiel einzulassen oder einfach mal loszusingen.

Zwei Frauen trinken zusammen ein Bier und lachen. Hält das Nervensystem fit.

Und, was tut deinem Nervensystem gut?

Es gibt noch so viele weitere Möglichkeiten, um auf natürliche Art dein Nervensystem zu beruhigen – allerdings würde es den Rahmen sprengen, sie alle hier aufzuhören. Außerdem ist das gar nicht notwendig. Viel wichtiger ist, dass du selbst für dich herausfindest, was dir gut tut und dein Nervensystem herunterfahren lässt.

Vielleicht kannst du diesen Monat ja dafür nutzen, bewusst darauf zu achten, was dich aus dem Zustand der Anspannung herausholt und in einen Zustand der Entspannung versetzt (Achtung Spoiler: Das Abschalten der Nachrichten wird es in jedem Fall tun!).

Egal, ob du dich gleich ins Getümmel stürzen willst oder es erst einmal ruhig angehen möchtest: Alles ist erlaubt und du bestimmst das Tempo. Lass dir von niemandem einreden, dass du zu sensibel, ängstlich oder zu risikofreudig bist. Nur du weißt, was für dich gut ist. Wenn du beginnst, deiner Intuition zu folgen und mit Bewusstsein durchs Leben zu gehen, wird auch dein Vagusnerv vor Freude in die Luft hüpfen und dich langfristig mit Wohlbefinden und Entspannung belohnen.

Wir freuen uns, dass wir dich mit unseren unterschiedlichsten Kursen dabei unterstützen dürfen, Körper und Geist in Einklang zu bringen – um ein noch erfüllteres Leben zu führen.

Dein Humanoo-Team